Zum Nachdenken




Excubias habent grues nocturnis temporibus lapillum pede sustinentes, qui laxatus somno et decidens indiligentiam coarguat. Ceterae dormiunt, capite subter alam condito alternis pedibus insistentes.

Zur Nachtzeit stellen die Kraniche Wachen aus, die mit einem Fuß einen kleinen Stein hochhalten. Lassen sie ihn schlafmüde fallen, so wird ihre Unachtsamkeit offenbar. Die anderen Kraniche schlafen, von einem Fuß auf den anderen wechselnd, den Kopf unter einem Flügel geborgen.

(Plinius, Naturgeschichte, Buch X, 30)





(…) „Doch wenn du einen für deinen Freund hältst, dem du nicht ebensoviel vertraust als dir selbst, so irrst du gewaltig und kennst das Wesen der wahren Freundschaft nicht. Berate dich vielmehr über alles mit deinem Freunde, doch vorher über ihn selbst. Nach geschlossener Freundschaft muß man trauen, vor Abschluß der Freundschaft prüfen. Diejenigen vermengen die Pflichten auf verkehrte Weise, welche gegen die Vorschriften des Theophrast erst prüfen, wenn sie schon geliebt, und nicht vielmehr lieben, nachdem sie geprüft haben. Überlege lange, ob einer in deine Freundschaft aufzunehmen sei; hast du aber einmal beschlossen, daß es geschehe, dann nimm ihn mit deinem ganzen Herzen auf und sprich mit ihm ebenso offen wie mit dir selbst. Du aber lebe so, daß du dir nichts vertraust, außer was du auch deinem Freunde vertrauen kannst. Doch weil dabei manches vorkommt, was die Gewohnheit zu Geheimnissen gemacht hat, so teile mit dem Freunde alle Sorgen, alle deine Gedanken. Hälst du ihn für treu, so wirst du ihn auch dazu machen.“ (…)

(Seneca: Vom glückseligen Leben)